Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2025 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | HV |
Beschlossen am: | 09.05.2025 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Unsere Zukunft braucht Investitionen – jetzt!
Beschlusstext
Es waren stets ‚die Jugend‘ und zukünftige Generationen, die zur Begründung der
Aufrechterhaltung der Schuldenbremse herhalten mussten. Die Berücksichtigung von
jungen Menschen bei dieser politischen Frage ist so richtig und wichtig, wie sie
es auch bei allen anderen Fragen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Weichenstellungen sein muss. Doch die Betrachtung greift zu kurz, wenn sie
ausschließlich die finanziellen Schulden fokussiert – und dabei die wachsenden
Investitionslücken ausblendet, die junge und zukünftige Generationen mit den
Folgen einer maroden Infrastruktur, eines überlasteten Bildungssystems, der
Klimakrise und wachsender sozialer Ungerechtigkeit zurücklässt. Insbesondere
ländliche und strukturschwache urbane Räume sind von Investitionsrückständen
stark betroffen und müssen von einem zunehmenden Strukturabbau geschützt werden.
Besonders betroffen sind dabei mehrfach marginalisierte Personen – etwa Frauen,
intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans* und agender Personen, insbesondere
solche mit Migrationsgeschichte oder Behinderung –, deren vielfältige
Diskriminierungserfahrungen die negativen Folgen unzureichender Investitionen
noch verschärfen. Besonders problematisch ist die zunehmende Kluft zwischen
jenen, die durch privates Kapital kompensieren können und jenen, die dieses
Privileg nicht haben. So beobachten wir mit wachsender Sorge, dass sich der
gesellschaftliche Reichtum immer stärker konzentriert: Während das wohlhabendste
Prozent der Bevölkerung über mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens verfügt
[Fußnote:
https://www.diw.de/de/diw_01.c.793802.de/publikationen/wochenberichte/2020_29_1/-
millionaerinnen_unter_dem_mikroskop__datenluecke_bei_sehr_ho___geschlossen______-
konzentration_hoeher_als_bisher_ausgewiesen.html#section7], geraten immer mehr
Menschen durch steigende Lebenshaltungskosten in existenzielle Bedrängnis – oft
ohne finanzielle Rücklagen oder eigenes Vermögen, um diese Belastungen
abzufedern.
Viele – für junge Menschen zentrale – Lebensbereiche leiden seit Jahren unter
massiven Investitionsrückständen. Spart der Staat bei Mitteln für
außerschulische Bildung, Jugendbildungsstätten und Unterstützungsstrukturen für
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, entzieht er ihnen wichtige Erfahrungs-
und Entwicklungsräume. Zugleich sendet er das Signal, dass ihre Anliegen
politisch kaum Gewicht und Einfluss haben. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf
die konkreten Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen aus, sondern schwächt
auch ihr Vertrauen in Politik und ihre Akteur*innen, Politik, Demokratie und
gesellschaftliche Teilhabe. Darum sind auch Investitionen in digitale
Souveränität notwendig, die langfristig eine Unabhängigkeit von Tech-Monopolen
und autokratischen Systemen garantieren, damit auch junge Menschen und
zukünftige Generationen an freien digitalen Räumen teilhaben können.
Das ist ein gewichtiges Problem, denn „die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft
bemisst sich nicht zuletzt daran, welche Perspektiven und Zukunftschancen sie
ihrer Jugend gibt.”[1] Daher setzen wir uns als katholische Jugendverbände dafür
ein, dass alle heute und zukünftig lebenden Kinder, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen in ihrer Vielfalt faire, gerechte und verlässliche Lebenschancen
erhalten. Dies bedingt die Notwendigkeit, alle wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und politischen Weichenstellungen und Entscheidungen
daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie dem guten Leben junger und zukünftiger
Generationen dienen – ob sie Generationengerechtigkeit fördern oder gefährden.
In diesen Prozess müssen junge Menschen aktiv einbezogen werden, denn sie sind
die Expert*innen für ihre Lebenswelten.
Vor diesem Hintergrund und auf Grundlage der Katholischen Soziallehre setzt sich
der BDKJ für eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaft ein, die
Menschenwürde, Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit und soziale und ökologische
Nachhaltigkeit als zentrale Grundwerte umsetzt.
Dabei sind Investitionen in dieser Gesellschaft unabdingbar.[2] Nur durch
gezielte Investitionen in Strukturen, die jungen Menschen zugutekommen, können
Zukunftschancen für alle Menschen langfristig gesichert werden. Investitionen,
die sich langfristig auszahlen – etwa durch die Bekämpfung von Kinder- und
Jugendarmut – führen in der Zukunft zu geringeren Folgekosten in Bereichen wie
Gesundheit, Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Gleiches gilt für
Investitionen zur Bekämpfung der Klimakrise [Fußnote:
https://www.nature.com/articles/s41586-024-07219-0]. Solche Investitionen sind
Ausdruck von Verantwortung gegenüber jungen und zukünftigen Generationen. Dabei
ist zentral, dass Investitionen nicht nur sozial und ökonomisch tragfähig sind,
sondern auch ökologisch verantwortungsvoll erfolgen. Investitionen müssen an den
Zielen der Agenda 2030 ausgerichtet sein und die planetaren Belastungsgrenzen
achten.
- Eine Reform der Schuldenbremse, die die nötigen Investitionen für eine
kinder- und jugendgerechte Gesellschaft langfristig sicherstellt
- Nachhaltige und umfassende Investitionen in Bildung, außerschulische
Angebote, öffentliche Infrastruktur, Bekämpfung der Klimakrise, digitale
Souveränität, Kultur und soziale Teilhabe. Dafür braucht es eine
Definition positiver Investitionskriterien.
- Eine Entscheidung für Investitionen für eine kinder- und jugendgerechte
Gesellschaft unter aktiver Mitgestaltung junger Menschen
- Investitionen in eine sozial-ökologische Transformation, insbesondere in
nachhaltige Energieversorgung, klimafreundliche Mobilität,
ressourcenschonende Bauweise und zukunftsfähige Ernährungssysteme.
Das Kriterium der Kinder- und Jugendgerechtigkeit soll sicherstellen, dass
sowohl heutige als auch zukünftige Kinder und Jugendliche wirklich profitieren –
und zwar über eine reine Betrachtung von Einnahmen und Ausgaben hinaus.
Dabei ist für uns aus christlicher Perspektive klar: Die Finanzierung dieser
Investitionen muss solidarisch erfolgen. Das bedeutet:
- Einsparungen bei Menschen am Existenzminimum sind ausgeschlossen. Im
Gegenteil muss hier geprüft werden, ob die aktuelle Berechnung des
Existenzminimums tatsächlich eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
- Stattdessen sollen außerordentlich Vermögende mit ihren gewachsenen
Möglichkeiten stärker in die solidarische Finanzierung unserer
Gesellschaft einbezogen werden.
Unsere Zukunft braucht jetzt Investitionen. Wenn wir jetzt in eine kinder- und
jugendgerechte Gesellschaft investieren, profitieren wir alle!
[1] Gemeinsames Wort der Kirchen, Nr. 204
[2] Dies legen die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung und der Bundesverband
der Deutschen Industrie übereinstimmend dar:
https://www.boeckler.de/pdf/pm_imk_2024_05_14.pdf ;
https://bdi.eu/presse/#/artikel/news/bdi-papier-zu-zusaetzlichem-oeffentlichen-
finanzierungsbedarf-rund-400-milliarden-euro-ueber-zehn-jahre
Begründung
Unsere Demokratie wird durch die aktuelle Weltlage von außen stark bedroht: Durch den Wegfall der USA als verlässlichen Partner, durch die fortschreitende Klimakrise und Akteure, die Demokratien durch Desinformationen zu spalten versuchen. Von innen schaden ihr u. a. die jahrelang ausgebliebenen Investitionen in unsere Gesellschaft. Dies macht eine Reform, die Investitionen in eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaft heute und morgen ermöglicht, dringend erforderlich.
Mit dem vorliegenden Antrag korrigieren wir auch unseren Beschluss 3.66 „Gerechte Generationenpolitik – zukunftsfähig und solidarisch“ von 2013. Dieser enthält viele Aspekte einer gerechten Generationenpolitik, die auch heute noch richtig, wichtig und gültig bleiben. Die darin geforderte uneingeschränkte Gültigkeit der Schuldenbremse lässt jedoch all jene Schulden aus dem Blick, die durch fehlende Investitionen zu Lasten gerade junger Menschen entstehen. Durch den vorliegenden Antrag wird dies korrigiert, um so unseren Einsatz für eine tatsächlich generationengerechte Politik genau dann zu bekräftigen, wenn wohlmöglich eine bundespolitische Entscheidung in dieser Frage kurz bevorsteht.